Grundlagen und Grundbegriffe
Wiederbeschaffungswert:
Der Wiederbeschaffungswert eines unfallbeschädigten gebrauchten Kfz ist nach dem Preis zu bestimmen, den ein Geschädigter aufzubringen hat, wenn er von einem seriösen Händler ein dem Unfallfahrzeug vergleichbares Ersatzfahrzeug nach gründlicher technischer Überprüfung – unter Umständen mit Werkstattgarantie – erwerben will.
Zur Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) beim WBW:
Der Mehrwertsteueranteil eines Wiederbeschaffungswertes kann unterschiedlich hoch sein. Es kann sich um einen regelbesteuerten, einen differenzbesteuerten oder um einen steuerneutralen Wiederbeschaffungswert handeln. Der Sachverständige orientiert sich an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, mit der das Fahrzeug diesbezüglich auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt wird (BGH, Urteil vom 9.5.2006, Az. VI ZR 225/05).
Regelbesteuerte Fahrzeuge (grds. bis zu einem Alter von 3 Jahren):
Nutzfahrzeuge und gewerblich genutzten Sonderfahrzeuge (Taxen) = stets regelbesteuert, unabhängig vom Fahrzeugalter. Luxusfahrzeugsegment = grds. regelbesteuert. Derartige Fahrzeuge werden typischerweise mit ausweisbarer Mehrwertsteuer gehandelt, da die überwiegende Zahl derartiger Fahrzeuge als Geschäftsfahrzeuge entweder verkauft oder verleast wurden. Im Übrigen geht man bei Fahrzeugen bis zu einem Alter von 3 Jahren davon aus, dass der Wiederbeschaffungswert die volle Mwst. von derzeit 19% enthält (Regelbesteuerung).
Differenzbesteuerte Fahrzeuge (von über 3 bis 10 Jahre):
Bei einem Fahrzeugalter von über 3 bis zu 10 Jahren liegt in der Regel die sogenannte Differenzbesteuerung vor. Bei einer festgestellten Differenzbesteuerung, kann der Versicherer die im Kaufpreis enthaltene Mehrwertsteuer schätzen und abziehen. Dabei hat der BGH VI ZR 225/05 die Schätzung einer Handelsspanne von 15 Prozent akzeptiert. Die Mehrwertsteuer-Anteil entspricht ca. 2,5 Prozent vom Endpreis.
Steuerneutrale Fahrzeuge (ab 10 Jahre):
Aufgrund der verschärften Haftungsbedingungen an Verbraucher (seit Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 01.01.2002), zu veräußern, hat der Kfz-Handel davon Abstand genommen, ältere Fahrzeuge – insbesondere Fahrzeuge, die älter als zehn Jahre sind – an Privatpersonen zu veräußern. Diese Tatsache hat der Sachverständige bei der Wiederbeschaffungswertermittlung zu berücksichtigen. Will der Geschädigte ein seinem Fahrzeug vergleichbares Fahrzeug erwerben, ist er auf den sogenannten Privatmarkt beschränkt, da entsprechende Fahrzeuge im gewerblichen Handel – zumindest im seriösen gewerblichen Handel – nicht angeboten werden. Die Mehrwertsteuerthematik stellt sich demnach bei derartigen Fahrzeugen nicht, da bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes am Privatmarkt weder Regelbesteuerung noch Differenzbesteuerung anzunehmen ist.
Restwert:
Zur Definition des Restwertes hat der BGH bereits am 04.06.1993 entschieden, dass der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 BGB die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs grundsätzlich zu demjenigen Preis vornehmen darf, den ein von ihm eingeschalteter unabhängiger Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen Markt ermittelt hat. Auf höhere Ankaufpreise spezieller Restwertaufkäufer muss der Geschädigte sich in aller Regel nicht verweisen lassen. Den Restwert ermittelt ein unabhängiger Sachverständiger unter Berücksichtigung des konkreten Schadenbildes und regionaler Marktgegebenheiten. Aus allen BGH-Urteilen zum Restwert ist der Schluss zu ziehen: Maßstab der Restwertermittlung durch den Sachverständigen bleibt der regionale Markt. Verkauft der Geschädigte zum vom Gutachter ermittelten Preis, geht das in Ordnung. Also müssen sich die Werkstatt bzw. das Autohaus beeilen, wenn sie zu diesem Betrag kaufen wollen. Der Sachverständige muss den Restwert am örtlichen Markt ermitteln (zuletzt Urteil vom 13.10.2009, Az: VI ZR 318/08). Der Restwert muss durch die Benennung dreier örtlicher Angebote im Gutachten plausibilisiert werden (Urteil vom 13.10.2009, Az: VI ZR 318/08). Grundsätzlich darf der Geschädigte den beschädigten Wagen zum gutachterlich festgestellten Restwert veräußern, ohne zuvor den Versicherer um Erlaubnis zu fragen. Ein vor Verkauf eingehendes Überangebot der Versicherung muss er aber annehmen, wenn es konkret genug ist und Abholung gegen Barzahlung zusagt. Dabei schadet es nicht, dass der Restwert „aus dem Internet“ stammt (Urteil vom 1.6.2010, Az: VI ZR 316/09). Der Sachverständige hat keine weitergehenden Pflichten als der Geschädigte. Er macht sich nicht regresspflichtig, wenn er den Restwert am örtlichen Markt ermittelt und nicht seine Kenntnisse vom „Sondermarkt“ einsetzt (Urteil vom 13.1.2009, Az: VI ZR 205/08). Dabei werden übrigens immer die Brutto-Reparaturkosten mit dem (Brutto-)Wiederbeschaffungswert verglichen (BGH Urteil vom 3.3.2009, VI ZR 100/08)
Wiederbeschaffungsaufwand:
Unter dem Begriff Wiederbeschaffungsaufwand ist derjenige Betrag, den der Geschädigte benötigt, um sich nach Verkauf des beschädigten Fahrzeugs ein gleichwertiges Fahrzeug anzuschaffen. Der Wiederbeschaffungs-aufwand ist damit die Differenz aus Wiederbeschaffungswert und Restwert.